Linkshändige Kinder in der Volksschule
Die Kenntnis über die jeweilige Händigkeit der SchülerInnen beim Schuleintritt ist eine wesentliche Grundlage für die individuelle Förderung. Die LehrerInnen berücksichtigen Kenntnisse über die Auswirkungen der Händigkeit bei der lernprozessbegleitenden Diagnostik.
Welche Maßnahmen erfordert ein inklusiver Unterricht?
Über das Belassen der angeborenen Händigkeit hinaus erfordert Individualisierung eine besondere Unterstützung der LinkshänderInnen
Bereitstellung von Materialien und Geräten für LinkshänderInnen
Damit linkshändige Kinder bestmöglich gefördert werden können, benötigen sie die richtigen Materialien:
• Linkshänder-Schere
• Linkshänder-Spitzer
• Schreibunterlage für Linkshänder
• Weiche, dicke, dreieckige Stifte sind von Vorteil (eventuell mit Griffmulden)
• Linkshänder-Füller (spezielle Feder und passendes Griffprofil)
Es gibt eine Vielzahl von Gebrauchsgegenständen für die linke Hand (Kartoffelschäler, Brotmesser, Musikinstrumente wie die Blockflöte ... ). Hier muss jeder für sich eine sinnvolle Auswahl treffen.
Gezielte Unterstützung beim Erwerb von Techniken
- Stift- und Blatthaltung
- Umgang mit der Schere
- Binden der Schleife
- Umgang mit Handarbeitswerkzeugen
- sportliche Techniken, etc.
Einrichtung des Arbeitsplatzes
Linkshändige Schulkinder brauchen einen Arbeitsplatz mit Bewegungsfreiheit auf der linken Seite, daher soll das linkshändige Kind links von sich keinen rechtshändigen Nachbarn haben. Idealerweise kommt der Lichteinfall von rechts. Federpenal, Malkasten etc. sind auf der linken Seite ideal plaziert. Die richtige Lage des Blattes oder Heftes wird mit einer Schreibunterlage oder einer entsprechenden Markierung (z.B. Kreppband) auf dem Arbeitsplatz gekennzeichnet.
Chancengleichheit beim Abschreiben
Das linkshändige Kind verdeckt die Vorlage mit der Schreibhand. Es muss so immer wieder die Hand heben um richtig abzuschreiben, daher braucht es länger, als das rechtshändige Kind. Wenn es aus dem Gedächtnis schreibt, steigt die Fehlerwahrscheinlichkeit. Einen freien Blick auf das zu Schreibende, erhält das linkshändige Kind, wenn Buchstaben und Wörter nicht am linken sondern am rechten Zeilenrand vorgeschrieben sind. Einige Verlage bieten hier bereits entsprechende Übungshefte für ErstschreiberInnen an.
Materialsammlungen mit Spiralbindung
Das Arbeiten in selbst gebunden Blöcken macht vielen Kindern Spaß. Die Spirale am linken Rand erschwert linkshändigen Kindern allerdings das Schreiben erheblich. Deshalb sollte sie im Bedarfsfall am rechten Rand angebracht werden. Eine Spiralbindung von oben schafft gleiche Bedingungen für alle SchülerInnen, aber das Umblättern ist etwas schwieriger.
Werken und Handarbeiten
Meist sind dabei beide Hände beschäftigt. Um entspannt und genau arbeiten zu können führt das linkshändige Kind den schwierigeren und bewegteren Teil der Arbeit mit der linken Hand durch. Das ist nicht schwieriger oder komplizierter, es ist einfach nur spiegelverkehrt zum rechtshändigen Handarbeiten. Da die Erfolge für beide mit der dominanten Hand weit größer sind, sollten Kinder stets ermutigt werden, so zu arbeiten, wie es seiner Anlage entspricht. Manche Kinder können es selber umsetzen, wenn sie der LehrerIn gegenüber sitzen und es entsprechend abschauen. Wenn es der LehrerIn schwer fällt seitenverkehrt anzuleiten, können eventuell ältere linkshändige SchülerInnen herangezogen werden, die den Jüngeren das Knüpftechniken, Stricken, Häkeln und Sticken mit der linken Hand zeigen – das hat auch den zusätzlichen positiven Effekt mit anderen LinkshänderInnen in Kontakt zu kommen.
Sportunterricht
LinkshänderInnen führen Bewegungsabläufe beim Sport gerne spiegelverkehrt zu den RechtshänderInnen aus. Da Füßigkeit und Händigkeit in einem Zusammenhang stehen, betrifft dies nicht nur die aktive Hand und den aktiven Fuß beim Ballsport etc., sondern auch das Startbein beim Laufen, den Absprungfuß beim Weit- und Hochsprung. Zeigen Sie nach Möglichkeit beide Bewegungsabläufe vor alle SchülerInnen vor. Bestärken Sie die Kinder, die Bewegungen auf die ihnen angenehme Weise zu tun. Damit wird die Freude am Tun größer und auch die sportliche Leistung besser.
Besonderheiten richtig einordnen
Für Lehrpersonen jeder Fachrichtung sind folgende Kenntnisse zum Thema "Händigkeit" hilfreich:
Die Blickrichtung des linkshändigen Kindes ist von rechts nach links ausgerichtet. Dies führen teilweise zu der Annahme, dass eine Wahrnehmungsstörung vorliege. Es handelt sich jedoch um einen völlig natürliche Wahrnehmungsvariante. Fast alle linkshändig begabten SchülerInnen gewöhnen sich während des ersten Schuljahres an die Arbeitsrichtung von links nach rechts, die nicht ihrer Natur entspricht.
In folgenden Bereichen kann es diesbezüglich zu Anfangsschwierigkeiten kommen:
- Spiegelungen einzelner Buchstaben oder ganzer Wörter kommt bei linkshändigen Kindern häufig vor. Ihrer Natur entsprechend beginnen linkshändige Kinder auch unbewusst am rechten Rand des Heftes zu schreiben.
- SchülerInnen kommen zu "falschen" Ergebnissen im Mathematikunterricht, weil sie von rechts nach links zählen, lesen oder ihr Lineal ablesen.
- Diese Verarbeitungsrichtung kann linkshändigen Kindern das auch das Zusammenlauten und Lesen lernen erschweren.
TIPP! Der Lesepfeil ist ein gutes Mittel dagegen, weil er hilft die Arbeitsrichtung einzuhalten.
- Manchmal kommt es auch vor, das Bildgeschichte in der anderen Richtung gedeutet werden. Ein einfaches Mittel dagegen ist, die Bilder zu nummerieren.
Achtung! Zeigt ein rechts schreibendes Kind diese Art der Wahrnehmung, so ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Kind umgeschulter Linkshänder sein könnte.
Beim Musizieren und Tanzen spielt die Handdominanz ebenfalls eine Rolle:
- Die Bewegungsabläufe beim Trommeln werden von der Handdominanz geleitet.
- Auch Instrumente wie Triangel werden vom linkshändigen Kind lieber mit rechts gehalten und mit links gespielt.
- Beim Tanzen etc. drehen sich LinkshänderInnen gerne in die andere Richtung.
Indem Sie das Kind mit seinen individuellen Vorlieben akzeptieren, ermöglichen Sie ihm die Freude am Tun.
Versteckte Linkshändigkeit
Die Zeiten in denen das Schreiben mit der linken Hand völlig undenkbar war sind glücklicherweise vorbei.Es gibt allerdings auch heute noch viele Kinder, die sich auf den Gebrauch der rechten Hand umstellen. Erkannt wird das oft erst dann, wenn in der Schule unerwartete Schwierigkeiten auftreten und die Leistungen nicht mit den vorhanden Kapazitäten des Kindes übereinstimmen. Das Schreiben wird vielen Betroffenen zur täglichen Qual, Konzentration und Gedächtnis machen diesen Kindern zu schaffen. Oft macht sich schon bald ein genereller Schulfrust bemerkbar. Der Weg zurück ist mühsam und es vergeht einige Zeit, bis nach einer Rückschulung die Probleme weniger werden.
Kindergartenpädagog_innen berichten immer wieder, dass sich die Zahl der als linkshändig wahrgenommen Kinder vom Kindergarteneintritt bis zu den Weihnachtsferien verändert. Einige der kleinen LinkshänderInnen passen sich in den ersten Monaten an die rechtshändige Mehrheit an und agieren zunehmend mit der rechten Hand. Dies ist auch eine Form der Umschulung! Die Folgen für die Lern- und Leistungsfähigkeit jener Kinder sind ebenso groß wie bei Kindern, die unter äußerem Zwang die Schreibhand wechseln mussten.
Faktoren die zu einem Wechsel im Handgebrauch führen können
- Beeinflussung durch Bezugspersonen
(bewusst oder unbewusst – meist gekoppelt mit Unwissenheit) - Anpassung an die ergonomischen Gegebenheiten,
weil viele Gebrauchsgegenstände für den
rechtshändigen Gebrauch konstruiert sind. - Nachahmung (Selbstumschulung)
„So sein wollen wie die anderen!“
Folgende Anzeichen können auf eine Umschulung hinweisen:
Schwierigkeiten beim Schreiben lernen:
- verkrampfte Stifthaltung und großer Schreibdruck - die Hand tut schnell weh
- unregelmäßige SchriftSchreibunlust
- die Schrift ist schön, aber das Schreiben dauert sehr lang
- Schreiben in Spiegelschrift (ganze Wörter, einzelne Buchstaben oder Zahlen)
Handgebrauch:
- Gegenstände (z.B. Buntstifte) werden mit der linken Hand genommen und an die rechte Hand weitergereicht
- Wechseln der beim Schreiben, Zeichnen und Essen mit Besteck
- Erhöhte Anfälligkeit für Missgeschicke (Glas umstossen etc.) und für Verletzungen
- Schwierigkeiten beim Essen mit Besteck
- Vermeiden von komplexen feinmotorischen Handlungen (Masche binden, Karten mischen, …)
- mit der linken Hand Grüßen, oder Verweigerung zu Grüßen
- körperliche Anspannung beim Agieren mit der rechten Hand
Legasthene Probleme:
- wie Verdrehen von einzelnen Buchstaben (b d, g p)
- Vertauschen der Reihenfolge
Konzentration:
- im Unterricht leicht ablenkbar
- die Erledigung der Hausaufgaben dauert lange - häufige Unterbrechung
- Auslassungsfehler bei Diktaten, mit steigender Textmenge mehr
Allgemeine Anzeichen:
- die schulischen Leistungen, vor allem im schriftlichen Bereich stimmen nicht mit der Einschätzung der Eltern und dem allgemeinen Intelligenzniveau überein
- Zurückgezogenheit
- Wutanfälle, weil etwas nicht so gelingt wie geplant
- Manch betroffenes Kind reagiert auf die Einschulung mit Nägel kauen, Bettnässen, Alpträume, Ticks wie Augenzwinkern, Schniefen oder Stottern
Jedes einzelne dieser Anzeichen kann unterschiedlichste Ursachen haben. Sind aber mehrere Symptome vorhanden, sollte an die Möglichkeit gedacht werden, dass das Kind seine Linkshändigkeit nicht lebt. Regen Sie gegebenenfalls bei den Eltern eine Klärung der Handdominanz an.
Händigkeit und Schullaufbahn
(Untersuchung von Dr. Peter Böhm)
Dr. Peter Böhm ist ein pensionierter Wiener Volksschuldirektor und ehemaliger fachlicher Leiter von 4 Projektschulen in denen linkshändige Kinder in besonderer Weise gefördert wurden. Er hat in seiner Dissertation im Jahre 2002 eine, an Wiener Schulen und Kindergärten durchgeführte, umfangreiche Studie veröffentlicht.
Die Testpersonen wurden in den 70er Jahren auf ihre Seitendominanz getestet. Nach Beendigung ihrer Pflichtschulzeit von 9 Jahren wurden ihre schulischen Karrieren erhoben und auf Zusammenhänge mit der Seitendominanz untersucht. Dabei ist er unter anderem zu folgendem Ergebnis gekommen:
- Links- und Rechtshänder, die ihre dominante Hand zum Schreiben verwenden, haben die gleichen Bildungschancen.
- Umgeschulte Linkshänder weisen im Durchschnitt wesentlich schlechtere Schulerfolge auf. Sie erreichen in der Volksschule signifikant seltener eine AHS- Reife.
(Dr. Peter Böhm, Studie zur Frage der Umstellung von Linkshändern , Dissertation, Universität Wien 2002)
Gibt es Beidhänder?
Wir alle haben zwei Hände, die gleich gebaut und mit vergleichbaren sensomotorischen Repräsentanzen Gehirn ausgestattet sind. Da bei jedem Menschen eine der beiden Hemisphäre etwas überlegen ist, kommt es auch zu einer Spezialisierung im Bereich der Hände. Die der dominanten Gehirnhälfte zugehörige Hand entwickelt sich zur Führungshand. Diese ist qualifizierter feine Tätigkeiten auszuführen und kann Bewegungsabläufe besser speichern und wiedergeben.
Echte Beidhänder, also Menschen, die mit beiden Händen gleich geschickt sind, gibt es so gesehen nicht. Manche Menschen erscheinen dennoch so. Bei ihnen finden sich zumeist feinmotorische Störungen in der dominanten Hand (z.B. nach einer Sauerstoffunterversorgung während der Geburt, ...), durch die es zum sogenannten „wechselnden Handgebrauch“ kommt. Das heißt: die eine Hand ist zwar die dominante, aber aufgrund der Störung ist die nicht dominante Hand in bestimmten Bereichen geschickter. Daher ist der Gebrauch instabil und es zeigt sich keine klare Dominanz. Sind die feinmotorischen Schwierigkeiten in der dominanten Hand nicht gravierend, ist es für das betroffene Kind von Vorteil, diese zum Schreiben zu verwenden, denn der Gebrauch der nicht dominanten Hand, führt zu sogenannten Umschulungsfolgen (Problemen im Bereich Gedächtnis- und Konzentration). In die Entscheidung, welche Hand zum Schreiben eingesetzt wird, sollten unbedingt Fachleute einbezogen werden. Auch Kindern mit Entwicklungsverzögerungen wie sie zum Beispiel durch eine Chromosomenabweichung (Down Syndrom, ...) ausgelöst wird, zeigen sehr lange ein beidhändiges Agieren. Für sie ist es aber ebenfalls von großer Bedeutung, dass sie letztendlich die dominante Hand für das Schreiben einsetzen, damit der Lernerfolg nicht durch Umschulungsfolgen unnötig gebremst wird.
Manchmal bezeichnen sich auch umgeschulte Linkshänder als Beidhänder, meist führen sie aber eine bestimmte Tätigkeit nicht mit beiden Händen durch, sondern machen viel links, sind aber für bestimmte Kulturtechniken, wie z.B. das Schreiben, Essen etc. umgeschult und machen dies ausschließlich rechts.
Die Informationen zum Thema Linkshändigkeit wurden zusammengestell von Maga Andrea Hayek-Schwarz www.linksoderrechts.at