Besuch in Bratislava: Ein Kindergarten, der es in sich hat

prof. RNDr. Ivan Kalaš, PhD, Universitätsprofessor in Bratislava, gibt uns Einblick in einen Kindergarten – ein Gebäude, das äußerlich sehr unscheinbar wirkt, doch was sich dahinter versteckt, beeindruckt! Lesen Sie in diesem Reiseportrait, was uns in Bratislava erwartete.


Kindergarten und Medien – passt das zusammen?

Forschung im Bereich „Medien und IKT im Kindergarten“ fällt bisweilen leider noch sehr dürftig aus. Und das obwohl im Kindergartenalter die Basis für Bildung geschaffen wird und gerade Medienbildung nicht außer Acht gelassen werden sollte! Die Fähigkeit, mit Medien kompetent umzugehen, ist heutzutage eine bedeutsame Schlüsselkompetenz – und dies in jedem Fall auch bereits im frühkindlichen Alter. 

Ivan Kalaš – Informatikprofessor an der Comenius University in Bratislava und am Institut of Education an der Universität in London – hat zahlreiche Projekte und Initiativen, u.a. für UNESCO, ins Leben gerufen. In seinen Forschungsprojekten rückt er besonders „IKT und Kindergarten“ in den Mittelpunkt. Kalaš und sein Team sind bestrebt, Medien im Kindergartenalltag zu integrieren und Medienkompetenz bei den Kindern zu fördern. Im Zuge seiner Forschungen hat Kalaš mit viel Engagement schon jede Menge bewirkt: Kindergärten wurden mit Whiteboards, Kameras, Aufnahmegeräten, etc. ausgestattet… Dies auch – so betont er immer wieder - mit der Unterstützung durch Eltern, die von Beginn an in den Prozess involviert waren bzw. sind. 


Mit der Software „Thomas the Clown“ haben Kalaš und sein Team ein Lernprogramm entwickelt, das bei Kindern sowohl Problemlösekompetenz als auch „computational thinking“, wie er es nennt, fördern soll. In Forschungskindergärten wurde das Arbeiten mit „Thomas the Clown“ in den Kindergartenalltag implementiert und gleichermaßen vom Forschungsteam in der Praxis getestet. Bei diesen Testungen konnte die Software - aufgrund der Reaktionen und des Verhaltens der Kinder - immer weiter modifiziert und noch mehr für den frühkindlichen Bereich adaptiert werden. Hierfür wurden auch die KindergartenpädagogInnen geschult und begleitet.

All dies interessierte uns natürlich mehr! So verbrachten wir einen Tag in Bratislava, wo uns Prof. Kalaš Einblick in einen Teil seiner Projekte gab und wir einen seiner Forschungskindergärten besuchen und genauer unter die Lupe nehmen durften.

Thomas the Clown – Was steckt dahinter?

In der Kindergartengruppe werden wir freundlich von den Kindern begrüßt. Sie haben extra für uns den Satz „Hello, my name is …“ einstudiert und jeder einzelne hat sich vorgestellt. Nach einem gemeinsamen Lied und einem Kreisspiel, werden die Kinder in Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe darf mit der Kindergartenpädagogin ans Whiteboard, von dem sich übrigens in jedem Gruppenraum eines befindet. Dort ist bereits die Softwarte „Thomas the Clown“ gestartet.
Bei „Thomas the Clown“ erarbeiten Kinder entweder alleine oder gemeinsam – aber in jedem Fall immer im Beisein eines Pädagogen/einer Pädagogin eine Problemlösung. Ziel ist es, dass Thomas den Weg zu einem bestimmten Objekt, z.B. zu einem Haus, zu einem Tier (Löwe, Zebra…) findet. Hierfür müssen die Kinder im Vorfeld überlegen, in welche Richtung Thomas den Weg einschlagen muss, um zum Ziel zu gelangen. Sie „programmieren“ Thomas quasi, indem sie den zielführenden Weg im Kopf durchgehen und „Meilensteine“ setzen. Dadurch wird er an das gewünschte Ziel gelotst – und dies auf simple Weise. (Thomas muss zuerst zum gelben Luftballon, dann am roten Luftballon vorbei, danach noch neben dem Maulwurfhügel vorbei und schon ist er am Ziel.) Sobald ein möglicher Weg gefunden wurde, beginnt Thomas – mit Klick auf einen Button – auch schon loszulaufen, und zwar genau den Weg, den das Kind/die Kinder es vorgegeben hat/haben. Wenn der Weg richtig gewählt wurde und Thomas ankommt, freut er sich über das Erreichen seines Ziels. Applaus über den Erfolg gibt es natürlich auch von der Kindergruppe sowie der Pädagogin.
Nach zehn Minuten läutet der zuvor gestellte Wecker und die Gruppen werden getauscht.

Insgesamt erweckt die ganze Situation für uns den Eindruck, dass die Kinder bereits sehr vertraut mit der Software umgehen. Es wird miteinander kommuniziert, geklügelt, getüftelt und einander geholfen. Den Kindern scheint diese "unbewusste" Förderung ihrer Medienkompetenz großen Spaß zu machen.
Nachdem jede Gruppe am Whiteboard  also bei Thomas - war, gibt es nochmals ein Abschlusslied und die Pädagogin nimmt die Thematik „Tiere“ mit der Gesamtgruppe noch auf eine andere Weise durch: Es wird ein Tiergarten gebastelt….

Prof. Kalaš erzählt uns, dass er – zu Beginn des Projekts im Kindergarten – bereits sehr erstaunt war über das medienkompetente Verhalten der Kinder und sich dies im Laufe der Zeit noch viel weiter entwickelt hat. Nicht nur am Whiteboard, sondern auch mit Tablets, Digitalkameras, etc. hantieren die Kinder, als ob sie es jeden Tag täten. Kein Wunder: Medien finden sich in unserem Alltag zu häuf.

So folgert Kalaš wichtige Erkenntnisse aus seinen Forschungen: ICT / Medien

  • …müssen in die alltäglichen Aktivitäten im Kindergarten integriert werden
  • …bieten neue Möglichkeiten im Kindergarten, sowohl hinsichtlich der Kommunikation untereinander und miteinander aber auch wenn es um Erkundung/Erforschung geht
  • …können wichtige Aspekte im Bereich „Lernen“ hervorrufen. Laut Ivan Kalaš ist dies beispielsweise „change the learning relationships, give children voice they have never had, open novel ways of designing, foster change in learning strategies, open new pathways to social interactions)
  • ...

Nach einer besonders herzlichen Verabschiedung „Good Bye“ durch die Kinder, überreicht uns ein Junge noch ein kleines selbstgemachtes Tongeschenk und wir verlassen den Kindergarten beeindruckt von der Fortschrittlichkeit aber vor allem vom Enthusiasmus der PädagogInnen und mit allerhand Eindrücken.


Forschungsergebnisse bzw. Publikationen von Ivan Kalaš: